Es ist ein Samstagmorgen im April. Die Sonne verwöhnt uns und lässt die Welt endlich wieder in einem wunderbaren, frühlingshaften Licht erstrahlen.
„Von O bis O“, brummelt mein Mann vor sich hin und begibt sich zielstrebig auf den Weg in den Keller.
„Wie bitte? Von O bis O?“, denke ich irritiert und folge ihm unauffällig.

Seit der letzten Aufräumaktion im Herbst sieht unser Keller wirklich manierlich und durchaus aufgeräumt aus. Trotzdem vernehme ich nun diverse Flüche, gepaart mit angestrengtem Schnaufen aus der hintersten Kellerecke.

„Verflixt noch mal, wer hatte die komische Idee, die Sommerreifen im hintersten Winkel zu deponieren? Die werden auch jedes Jahr schwerer“, verhallen seine Worte im Kellergewölbe, bevor er mit einem Autoreifen durch den Flur gerollt kommt. Ach so, von „O bis O“, also von Ostern bis Oktober und damit ist der Sommer-/Winterreifenwechsel gemeint. Vorsorglich flüchte ich wieder ins Obergeschoss.

Es gibt ja Menschen, überwiegend der im Freizeitblaumann herumlaufende männliche Teil der Bevölkerung, der zwei Mal im Jahr begeistert den Reifenwechsel zelebriert. Im Anschluss freut er sich auf frischgebackenen Streuselkuchen und ein Tässchen Kaffee oder wahlweise ein Feierabendbierchen.

Leider existiert diese Gattung Mensch in unserer Familie nicht. Die Begeisterung für Handwerkliches aller Art war in diesem Haus noch nie besonders ausgeprägt.
In dem Moment fällt mir das Schreiben der KFZ-Werkstatt wieder ein.

Nicht vergessen: Der 16-Punkte-Check

Letzte Woche erreichte uns ein Werbebrief für den perfekten Start in die Frühlingssaison: „Reifenwechsel mit oder ohne Wuchten, mit oder ohne Räder waschen und pflegen und Reifeneinlagerung. Alles, was das Herz begehrt. Und nicht zu vergessen: der „16-Punkte-Check“.

Froh über diesen Einfall und in der Hoffnung gute Laune zu verbreiten, wedele ich nun mit dem Zettel vor dem Gesicht meines Mannes herum.
„Guck mal, die Lösung ist ganz einfach: Wir lassen die Reifen wechseln und lagern sie anschließend ein.

Nie mehr lästiges, schweres Reifenjonglieren rauf und runter durch den Flur und über die Treppe in den Keller.“
„Hm ja, gut!“ Langsam liest er sich durch das Angebot. „Und was ist, wenn die Werkstatt Pleite macht und meine Reifen lagern in deren Regalen?“, wagt er einzuwenden.
Gute Frage! Ist so was schon mal vorgekommen? Bestimmt nie! Aber wenn doch? Der Insolvenzverwalter erklärt womöglich alles erst mal zur Insolvenzmasse und wir fahren im Winter mit Sommerreifen durch die Landschaft. Oder ist so was versichert? Und was zum Teufel ist eigentlich ein „16-Punkte-Check“?
Lässt der Mechaniker seinen fachmännischen Blick über das Untergeschoss  meine Autos schweifen? Oder … ach ja, jeder Reifen hat 4 Muttern. Bei 4 Reifen sind das … genau 16 Muttern, die gecheckt bzw. ordentlich angezogen werden. Kann auch sein. Klingt auf jeden Fall nach gutem Gewissen und Gesundheitsvorsorgecheck fürs Auto!

Während ich noch grübelnd im Flur stehe, hat mein Mann bereits die ersten beiden Reifen erfolgreich gewechselt. Schwitzend schwingt er seinen Schraubendreher und behauptet: „Pflege? Pff, da reicht auch die Fahrt durch die Waschanlage. Wuchten? Wird total überbewertet.“
Ach so!?
Nach dem vierten Reifen scheint die Welt wieder in Ordnung. Beschwingt rollt er die Winterreifen die Treppe runter in eine heimelige Ecke des Kellers, in der sie nicht stören (und er sie auch bestimmt wieder suchen wird).

„Ha, geschafft“, grinst er stolz „selbst ist der Mann! Jede Menge gespart, da lade ich dich heute Abend zum Essen ein.“

„Super Idee“, gebe ich zu und werfe den Infobrief in den Papierkorb.

Die Winterreifen sind ja erst im Oktober wieder dran …