Arttu Tuominen, Was wir verschweigen

Als ich die ersten Zeilen las, dachte ich: „Endlich mal wieder ein klassischer nordischer Kriminalroman!“
Doch weit gefehlt: Seite um Seite entpuppte sich Arttu Tuominens Buch als sehr gute Mischung aus Roman, Erzählung und Krimi. 

Die Geschichte spielt im November in Finnland und es herrscht eine düstere, windige und nasskalte Atmosphäre. In einem Ferienhaus wird bei einer rauschenden Party ein Mann mit mehreren Messerstichen ermordet.
Der Täter ist zunächst auf der Flucht und die Aussagen der anwesenden Zeugen sind, aufgrund des Alkoholkonsums, größtenteils unbrauchbar. Am selben Abend wird jedoch in dem nahegelegenen Waldstück ein blutverschmierter Mann festgenommen. Es sieht so aus, als sei der Mord im Handumdrehen geklärt. 

Jari Paloviita, stellvertretender Kommissariatsleiter, überträgt die Ermittlungen seinen Kolleg:innen Henrik und Linda. Eigentlich müsste er selbst im Dienst bleiben, denn immerhin geht es um ein Tötungsdelikt und er ist der Verantwortliche, aber es ist schon spät und seine familiäre Situation lässt ihm keine Wahl. Er hatte versprochen pünktlich zu sein, um sich um die Kinder zu kümmern. Ärger zuhause konnte er aktuell überhaupt nicht gebrauchen.

Als Paloviita am nächsten Morgen den Namen des mutmaßlichen Täters erfährt, beginnen die Dinge kompliziert zu werden. Der Verdächtige Antti Johannes Mielonen war sein bester Freund in Kinder- und Jugendtagen und er verdankt ihm sein Leben …

„Hast du manchmal das Gefühl, dass du dieses Leben nicht verdienst? Das alles eine Lüge ist, eine einzige Lüge?“

Die Story wird in zwei Zeitebenen erzählt und wechselt zwischen dem Sommer 1991 und dem aktuellen Geschehen im November 2018. Die Jungen Jari und Antti verbindet eine besondere, sehr intensive Freundschaft:
Jari wächst behütet in einem schönen Zuhause mit freundlichen, verständnisvollen Eltern auf, während Antti in einem sozialen Brennpunkt mit alkoholsüchtigem Vater groß wird. Die beiden gehen durch dick und dünn und schwören, auf ewig Freunde zu bleiben.
Ihre Wege trennen sich jedoch schneller als erwartet. Und ihre Lebensläufe gehen in sehr unterschiedliche Richtungen: Jari wird angesehener Polizist und Antii rutscht immer tiefer in einen Sumpf aus Elend und Gewalt. 
Jetzt, nach 30 Jahren, treffen sie erstmals wieder aufeinander und Jari Paloviita ist seinem Jugendfreund noch etwas schuldig

… ein Dilemma, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt. 

Wer bei diesem Kriminalroman atemlose Spannung erwartet, wird enttäuscht. Die Aufklärung des Mordes ist zunächst gar nicht wichtig. Es geht vielmehr um die Werte von Freundschaft, um Rache, Vergebung und Versöhnung. Wie weit wird Jari gehen, um alte Versprechungen einzuhalten und hochheilige Schwüre zu erfüllen?

Mir haben die Charaktere in dieser düsteren, finnischen Landschaft sehr gut gefallen. Die Zeitreisen in das Jahr 1991 lasen sich wie Erzählungen, die Licht in die gegenwärtigen Ereignisse und Verhaltensweisen der Protagonisten bringen. 

Eine gelungene Story mit Tiefgang!