Handwerker im Haus

Ein eigenes Zuhause in Form eines Einfamilienhauses ist eine großartige Sache. 

Manchmal ist das sogenannte Eigenheim zwar nur zur Hälfe, zu einem Drittel oder noch weniger wirklich „das Eigene“, aber im Gegensatz zur Bank dürfen wir darin wohnen. 

Allerdings ist ein Haus auch eine nie endende, zweifelhafte Beschäftigungstherapie. 

Ein paar Jahre nach Erstbezug, die uns wie wenige Monate vorkamen, stellten wir Schwachstellen am Zustand der Immobilie fest und beschlossen, dass diverse Verschönerungsarbeiten unumgänglich waren. 

Im Wohnzimmer durfte man zum Beispiel kein Bild mehr von der Wand entfernen oder musste ein größeres an dieselbe Stelle hängen. 
Ein heller viereckiger Fleck verriet die ursprüngliche Farbgebung der Tapete. Ein unschlagbares Argument für einen Austausch der Wandbekleidung. Also tapezieren!
Oder doch lieber verputzen und streichen?
Bei den schiefen Wänden sowieso die bessere Lösung und außerdem viel moderner. 
Und ach ja, die alten, klapprigen Türen! Wenn wir schon anfangen, dann müssten die doch auch direkt neu. Wäre unvernünftig nicht alles in einem Rutsch zu erneuern. 
Der Flur und die Küche? Stimmt, die Tapete ist da dann auch ruiniert …

Am Schluss wurde die Liste noch um Parkett und Treppe abschleifen erweitert.

Gleich am nächsten Morgen schlenderte ich durch den heimischen Baumarkt zwecks Inspiration. 

Oh weh, was für eine Auswahl! Ich wünschte mir Tine Wittler oder einen anderen kompetenten Einrichtungsberater an meine Seite, doch die hatten im Privatfernsehen zunächst noch andere Bedürftige zu versorgen.

Also musste der örtliche Malermeister unseres Vertrauens herhalten. Bei der Inspektion des in die Jahre gekommen Wohnzimmers war er guter Dinge, hatte großartige Ideen und versprach gleich Anfang des nächsten Monats mit seiner Mannschaft bei uns anzurücken.

Beim Einpacken der Wohnzimmer-Esszimmerutensilien erahnte ich langsam das Ausmaß der bevorstehenden Aktion.

Alles musste erstmal raus! Stereoanlage und Fernseher mussten abgebaut werden und alle Schränke in Einzelteilen im Keller verstaut werden. Und war unsere Küche in der Bauphase überhaupt nutzbar?

Als dann, die bei der Vorbesprechung noch sehr harmlos aussehenden Handwerker mit ihrer Arbeit begannen, dachte ich bereits über eine Evakuierung nach. 

Schon nach wenigen Stunden lagen 5 alte Türen auf der Wiese vorm Haus, der Wohn- und Kochbereich lag quasi in Schutt und Asche und die Geräuschkulisse war unerträglich.

Wer hatte nur diese hirnrissige Idee vom Renovieren?

Wir quartierten uns vorübergehend mit Kind und Kegel bei meinen Eltern ein und trieben die fleißigen Handwerker zur Eile an.
Kochen war in der mit Folie verhüllten Küche tatsächlich nicht praktikabel und warmes Wasser war Mangelware.


Eines Morgens um 06.30 (!) schloss ich die Baustelle auf (von Eigenheim konnte nun nicht mehr die Rede sein) und betrachtete seufzend das Elend. 

„Mittwoch werden die neuen Türen geliefert, und ach ja der Parkettschleifer ist bis nächste Woche in Urlaub, aber erstma muss ja sowieso verputzt werden und dazu müsse wir die Heizkörper abhänge, hamse da wen der das macht, oder?
Und ach übrigens, wollense nich die Fensterbänke auch neu machen, wo se nu alles schon so schön kriegen?“ mischte sich der Chefpolier in meine Gedankengänge und überreichte mir freundlich lächelnd die erste Rechnung.
Ja, okay, alles klar macht ihr mal! 

Zwei lange Wochen später hatte sich der Bauschutt immerhin von groben Steinchen in feinen, weißen Staub verwandelt.

Der war aber mindestens genauso lästig und machte auch vor der kleinsten Ritze keinen Halt. 

Das Kind genoss den unfreiwiligen Urlaub bei Oma und Opa, fühlte sich pudelwohl und empfand die wenigen Quadratmeter abenteuerlich und gemütlich.
Wir hingegen sehnten uns nach einem eigenen Tagesrhythmus und Privatsphäre in jeder Beziehung …

Viele schwierige Entscheidungen bezüglich der Fensterbänke, der Wand- und Deckenstruktur und der Türrahmen später war ein Ende abzusehen: die Farbauswahl stand auf dem Programm.

Etwa zehn unterschiedliche Tafeln mit Probemalungen zierten die noch nackten Wände in Wohnzimmer, Esszimmer, Küche und Flur und wurden von uns abwechselnd hin und hergetragen und verglichen. 

Mediterranes Orange, Terracotta, gediegenes Beige, Muschelweiß, Sandbraun. Ganz mutig eine Wand in Scharlachrot? 

Jetzt bloß keine Fehlentscheidung, das neue Design hatten wir schließlich täglich vor Augen.

Nach einer weiteren Woche war dann auch der Feinstaub verschwunden und eine finale Putzaktion konnte starten. 

Anschließend räumten wir unser Hab und Gut mit letzter Kraft wieder an Ort und Stelle und fielen erschöpft in den nächsten Sessel. Ich ließ den Blick schweifen: 
Zugegeben, der Aufwand hatte sich gelohnt und die eigenen vier Wände erstrahlten in modernem, frischem Ambiente. 

Aber eins war sicher: Während des nächsten Bauvorhabens (das hoffentlich noch in sehr ferner Zukunft lag) fahren wir besser gleich in den Urlaub, denn der ist anschließend dringend nötig!