Graham Norton, Heimweh
Das Porträt einer irischen Kleinstadt in einer beeindruckenden Landschaft. Nicht nur eine Familiengeschichte und eine Hymne auf das Leben, die Freiheit und die Individualität, sondern auch eine Geschichte von Schuld, Schweigen und Erlösung.
Es ist ein Sommertag in der irischen Provinz. Sechs junge Menschen fahren ans Meer, um sich zu amüsieren, aber am Abend ist ihre Welt nicht mehr die, die sie am Morgen war.
Ihr Auto ist auf dem Rückweg in ihren Heimatort Mullinmore verunglückt und in den Entwässerungsgraben gerutscht. Drei der Insassen, Bernie und David, die am nächsten Tag heiraten wollten und ihre Brautjungfer Carmel sterben. Carmels Schwester Linda überlebt schwer verletzt. Der Sohn des Arztes, Martin, und Connor, dessen Eltern der Pub gehört, überleben. Dann sagt Connor aus, er habe den Unfallwagen gefahren, doch eigentlich hatte er gar nicht zur Clique gehört.
Der kleine Ort befindet sich in Schockstarre und Connor wird zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Doch wie soll er mit dieser Schuld weiterleben? Im Dorf kennt jeder jeden und nichts wird je vergessen. Der Pub wird kaum noch besucht und die Menschen meiden Connors Familie.
Schließlich organisiert der Vater ihm eine Arbeit im Baugewerbe in Liverpool. Dort kennt ihn niemand, es ist weit genug weg und er hat die Chance auf einen Neuanfang. Connors Vater meint, so ist es das Beste, ohne zu ahnen, dass sie Connor für eine sehr lange Zeit nicht wiedersehen werden.
Das Leben geht weiter. Connor lebt seines in Liverpool und anderswo und meidet konsequent den Gedanken an seine Heimat und den Unfalltag. Von einem Besuch zuhause in Mullinmore ist er weit entfernt.
„Er hatte seine eigene Welt gefunden und sah keine Möglichkeit, beide Welten zusammenzubringen.“
Zwanzig Jahre später arbeitet er in einer Bar in New York als Barkeeper. Eines Tages betritt ein junger Mann die Bar und die beiden sind sich sofort sympathisch. Nach kurzer Zeit stellen Sie fest, dass sie etwas sehr Entscheidendes verbindet, etwas, das mit Irland und ihrer Vergangenheit zu tun hat.
Plötzlich ist alles wieder präsent und die Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Die Geschichte um den Protagonisten Connor war gut und flüssig lesbar. Ich konnte mir die irische Kleinstadt Mullinmore mit ihren Bewohnern und zwischenmenschlichen Beziehungen, dem täglichen Einerlei und ihrer Idylle bildlich und sehr lebhaft vorstellen. Genauso anschaulich ist dem Autor die Beschreibung der Metropolen gelungen.
„Selbst in Dublin hätte er sich niemals so frei gefühlt, so rein gewaschen wie in den Flüssen der Anonymität, die durch die Straßen Londons strömten.“
Die Frage der Schuld an den tragischen Umständen, die Scham und der Schmerz, der damit einhergeht, und letztlich die Erlösung sind sprachlich wunderbar beschrieben.
Im Laufe der Geschichte werden Geheimnisse offenbart, die die Ereignisse immer wieder in eine andere Richtung lenken. Und plötzlich muss man die Romanfiguren aus einem neuen Blickwinkel betrachten. Die Zusammenhänge und Identitäten ändern sich, während man Connors Lebensweg über viele Jahre und 380 Buchseiten gerne „begleitet“.
Das Buch hat mich gefesselt und begeistert und ich war sehr froh über einen emotionalen und versöhnlichen Ausgang der Erzählung.