Shoppen-Ge(h)n
Seit ein paar Tagen kann ich ihr nicht mehr entkommen: Die neue Herbst- und Wintermode landet in Form von Werbeprospekten oder per E-Mail im Briefkasten und will beachtet werden.
Vom Scheitel bis zur Sohle gestylte Models informieren mich lächelnd, was ich dringend noch benötige und wo mein Kleiderschrank bestimmt noch Defizite aufweist, damit ich gut gekleidet durch die kalte Jahreszeit komme.
Meistens kann ich nur schwer widerstehen und so beschließe ich bei nächster Gelegenheit einen kleinen Streifzug durch den heimischen Einzelhandel zu unternehmen.
Meinen Mann lassen die neuen Trendfarben, der aktuelle Jeans-Style oder die coole, neue Strickware ziemlich kalt. Aus Solidarität oder einfach, weil er keine passende Ausrede auf Lager hat, steht dann aber doch eine gemeinsame Shopping-Tour auf dem Terminkalender.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragt die Modeberaterin, während ich schon nach passenden Schnäppchen Ausschau halte, Farbe, Schnitt und Größe inspiziere und Preise vergleiche.
„Och, danke, ich schaue mich erstmal nur um“, antworte ich und überlege: Welches Oberteil meines bestehenden Kleidersortiments passt wohl zu diesem todschicken Rock? Vielleicht sollte ich mir auch eine neue Bluse leisten. Aber welche Farbe … Ach, ich probiere das einfach alles mal an.
Mein Mann hat sich in der Zwischenzeit in der Herrenabteilung umgesehen. Er hat die aktuelle Kollektion bereits zweimal umrundet und beschlossen, dass er eigentlich gar nichts Neues braucht. Passt ja noch alles und die Klamotten von damals sind heute bestimmt schon wieder total „in“.
Erschöpft lässt er sich auf den knautschigen Ledersessel vor der Damenumkleidekabine fallen und harrt der Dinge, die da kommen.
„Schatz, guck mal wie findest du den? Sieht ganz gut aus, oder? Meinst du das Karomuster betont meine Hüften zu stark?“
Von links nach rechts tänzel ich vor dem Spiegel herum.
Jetzt bloß nichts Falsches sagen: „ Jo, nee sieht ganz nett aus. Nimm den doch!“ meint er.
„Hach, ich weiß nicht,“ entgegne ich, „vielleicht ist die Farbe doch nicht das Richtige. Und welche Schuhe habe ich denn, die dazu passen? Ich gucke noch mal weiter, war sowieso ein bisschen teuer.“
Seufzend zieht sich mein Gatte einen Cappuccino am Automaten, den der freundliche Ladenbesitzer dankenswerterweise dort aufgestellt hat. Das konnte ja noch dauern!
Er schüttelt verständnislos den Kopf und denkt:
‚Der Rock hat doch gepasst und wenn sie einen neuen braucht, dann konnte sie den doch kaufen und fertig!‘
Ob es so was wie ein „Shoppen-Gen“ gibt? Wenn ja, kann gut sein, dass es den Männern, oder zumindest meinem Mann, fehlt.
Ein Kleiderschrank muss nicht wie der Kühlschrank regelmäßig neu gefüllt werden, obwohl das manchen Menschen sicher auch gefallen würde:
‚Oh die Shirts sind alle, ich geh mal eben neue besorgen.‘
Ich schlendere einfach gerne durch die Läden, probiere die neuen Trends an und aus, genieße zwischendurch einen Latte Macchiato und freue mich im besten Fall über ein Schnäppchen. Manchmal auch nur in Form eines Halstuches. Je nachdem wie erfolgreich der Trip endet, hat sich die Lust auf längere Einkaufsbummel bis zur nächsten Modesaison auch schnell wieder verflüchtigt.
Mein Mann dagegen kauft die Dinge erst, wenn sie wirklich nötig sind: Die Schuhe sind kaputt oder die Sohle ist abgelaufen. Dann erst ist er gezwungen, sehr ungern und widerstrebend ein Schuhgeschäft zu besuchen. Hier lässt er sich von den netten Verkäufer:innen ein bis zwei Modelle bringen, probiert sie an und kauft dann eins der Paare. Ganz einfach!
Genauso funktioniert das bei Jeans, Anzügen, Pullovern oder Hemden. Praktischerweise werden dann auch direkt mehrere Exemplare erworben, damit er sich nicht so bald wieder dem Einkaufsstress aussetzen muss.
Im Dschungel der Modeindustrie …
Alleine findet er sich im Dschungel der Bekleidungsindustrie nur ungern und lustlos zurecht, deshalb sind Stilberater:innen, im Notfall auch in Form der eigenen Frau, gern gesehen.
Ganz anders im Bau- und Heimwerkermarkt: Mit einer schlafwandlerischen Sicherheit kann er zielsicher den gesuchten Dichtungsring Größe 3,5 mm aus dem Minikästchen im Regal 15 ausfindig machen. Da muss er nicht mal den netten Baumarktberater konsultieren.
Stundenlang vergleicht er im Technikmarkt Plasma-Fernseher, Handys oder Computer-Sticks, ohne auch nur eine Sitzgelegenheit oder einen Kaffee zu benötigen.
Phänomenal!
Ich schätze, es ist beschlossene Sache:
Unsere nächste Shopping-Tour wird uns in ein Einkaufscenter mit angeschlossenem Bau-Heimwerker- und Technikmarkt führen.
Und nach ein paar einkaufsvergnüglichen Stunden treffen wir uns zum Erfahrungsaustausch mit leckerer Pizza und Rotwein beim Italiener im Erdgeschoss. Die Frühlings- und Sommermode kann kommen!